Dunkle Materie. Notizen zur Blindheit (2018)

Wer|Was: “Der Schauspieler” (HR) | Konzept
Wann: 23. November 2018 (Premiere)
Wo: Theater Rampe, Stuttgart


Fotos: Elisa Mauruschat

Mit: Antonia Beermann, Folkert Dücker, Rebecca Hennel, Nina Malotta
Konzept, Text: O-Team
Regie, Licht, Bühne: Samuel Hof
Bühne, Kostüme: Nina Malotta
Musik: Rivkah Tenuiflora
Dramaturgie: Antonia Beermann
Sound- und Videodesign: Pedro Pinto
Grafik: Markus Niessner
Produktion: schæfer&sœhne
Assistenz: Leonard Mandl

„Du hast zwar Augen und siehst doch nicht, wie tief du steckst im Übel“
(V.413, König Ödipus, Sophokles)

Dunkle Materie lauert in den Tiefen des Weltalls und hält es zusammen. Rund 80 Prozent der Materie im Universum bestehen aus diesem Stoff, den bisher noch niemand gesehen hat. Und dennoch war diese Geistermaterie schon immer da. Ausgehend von diesem Bild setzt sich O-Team mit dem Thema Schuld auseinander. In immer wieder veränderter Form zieht es sich durch die Geschichte – sei es in Form der christlichen (Erb-)Sünde, des ökologischen Fußabdrucks oder als Hybris, einem der handlungsbestimmenden Motive der attischen Tragödie.

Fragmente aus den Dramen „König Ödipus“ und „Ödipus auf Kolonos“ von Sophokles dienen uns als zweite Folie für den Abend. Im antiken Verständnis ist Schuld unvermeidbar und gehört zum Menschsein. Ödipus beipielsweise handelt, erfüllt den Orakelspruch und macht sich damit schuldig – egal ob dies wissentlich oder unwissentlich geschieht. Zum Held wird nur, wer diese Schuld anerkennt. Welche Relevanz hat dieses Verständnis heute für uns?

Unser Umgang mit Schuldfragen ist heute wenig produktiv. Angekommen im Zeitalter des Menschen, dem Anthropozän, ist eine Auseinandersetzung mit den massiven menschlichen Eingriffen in die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse auf der Erde seit Beginn der Industriellen Revolution vor rund 200 Jahren unausweichlich. Probleme wie z.B. Klimawandel oder globale Ungerechtigkeit erscheinen für den Einzelnen in ihrer Dimension nicht lösbar. Diese existenzielle Schuld wirkt „vorherbestimmt“, sie ist nicht zu tilgen. „Jedes Handeln bedeutet ein weiteres Verstricken mit dem Gewebe der Tatsachenstruktur innerhalb einer Realität, die wir weder kontrollieren noch überblicken können“, sagt dazu treffend der Philosoph Marcus Steinweg.

Auch wir TheatermacherInnen fühlen uns in Bezug auf unsere Kunst oft nicht frei von Schuld: Was nehmen wir an Ungerechtigkeit und Ausbeutung menschlicher wie ökologischer Ressourcen in Kauf, um unserer Projekte zu realisieren? Welchen Beitrag leisten wir mit Theater zur Lösung der großen Probleme? Und gäbe es nicht eigentlich Wichtigeres zu tun? Das Projekt soll einen Einblick geben in unsere eigene Suche nach einem Ausbruch aus der Ohnmacht, nach Positionierung und Handlungsfähigkeit, die im besten Fall zu einer gemeinsamen wird. Wir umkreisen die Dunkle Materie der Kunst und damit eine innere, nicht klar fassbare Freiheit von Theater, die vielleicht auch etwas über die Freiheit des Menschen erzählt.
Welcome to the dark side

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